Montag, 25. April 2016

Alea iacta est

Die Würfel sind gefallen.
Aber die Würfel sind nicht auf der falschen Fläche gelandet.
Dieser kurze Blogpost wird nicht wie die anderen schön mit Bildern geschmückt, er soll eigentlich nur eine Information verbreiten, die ich bereits vor einigen Wochen über meine privaten sozialen Medien kommunizierte.
Nur weil diese Einleitung sehr negativ geschrieben ist, soll sich aber jetzt noch niemand Sorgen machen, dass es mir nicht gut gut gehen könnte. Nein im Gegenteil, mir geht es gerade richtig gut! :)

Was sich eigentlich schon bei Beginn der Verhandlungen über meinen Verbleib in Mora abgezeichnet hat, musste ich nun selbst durchsetzen. Es ist einfach nicht möglich, meine schulische Zukunft in Schweden leben.
Begonnen hat es ja eigentlich sehr gut, denn ich wusste, dass dieser grosse Wechsel, dieses Auswandern, bereits mehreren Ausländern vor mir am Skigymi gelungen ist. Unter anderem Judith Wyder oder zuletzt meiner Italienische Mitschülerin Stefania.

Ich war davon überzeugt, dass meine zwei Zeugnisse aus Trogen, einem Schweizer Gymnasium notabene, die Erwartungen einer Schwedischen Schule übertreffen werden. Ist das Level nun wirklich nicht immer zu vergleichen.
Den Grund des Scheiterns sehe ich, das sage ich hier offen, im Schwedischen System und im Schwedischen Denken. Dieses lässt sich schlicht nicht mit dem Gewohnten abgleichen.
Klar, manchmal ist es sicher schön, wie ein Schwede zu denken, nur ist meine Schweizer Präzisionsmentalität manchmal schlicht damit überfordert.

Wenn der Schwede zum Beispiel sagt, er meldet sich, meint er damit, dass du dich wieder bei ihm melden sollst falls du das Geschäft, in welchem ihr zusammenarbeitet, als wichtig empfindest.
Aber das wusste ich ja schon vom Anmeldungsprozess.

Es ist seit April definitiv beschlossen, dass ich am 21. Juni um 18:40 wieder in der Schweiz ankommen werde und diesmal nicht nur, um Urlaub zu machen.
Ab August 2016 werde ich dann meine Ausbildung an der Kantonsschule Trogen im schönen Appenzell Ausserrhoden wieder aufnehmen. Ich freue mich eigentlich riesig darauf, wieder in ein geregeltes, gewohntes System einzufädeln, da ich meine Ziele hier in Schweden als erfüllt sehe.
Schule ist etwas, was fordernd sein soll und das war es hier definitiv nicht. Meine Zukunft und mein Traum vom Linienpilot sind mir vorerst wichtiger als das gemütliche Studentenleben.

Es war an der Zeit, irgendwann einen Entschluss zu fassen, darum war es auch ich, der diesen Entscheid gemacht hat, die Schule hätte bis heute nicht ja oder nein gesagt. Ich wurde von keiner Seite zur irgend einer Lösung gedrängt und konnte immer vollstes Vertrauen, vor allem von meiner Familie geniessen. Sie freuen sich aber sicher, wenn sie mich wieder zuhause haben. Gerade wenn man bedenkt, dass meine Eltern dank dem Sprachaufenthalt meiner Schwester in der Romandie ein halbes Jahr kinderlos waren.
In meiner Lebensweise geht es einfach besser, wenn man möglichst viele Entscheide zeitig fällt, damit man danach ohne Unsicherheiten geniessen kann, was ich mittlerweile wirklich in vollen Zügen mache. Der Sommer klopft immer mehr in Mora an, die Tage sind eindrücklich lange und die Tage langsam gezählt. Es kommt einem immer öfters in den Sinn, das dies wohl das letzte Mal ist, dass man etwas solches macht.
Zum letzten Mal auf den Skis, zum letzten Mal ein Wochenende ohne Verpflichtungen in Mora oder zum letzten Mal im Wachsraum der Schule.

Dafür ist die schönste Jahreszeit endlich in vollem Gange. Das merkt man vor allem an den Gemütern der Schweden, die endlich den Winter wieder einmal überstanden haben. Oft sitzen wir am Abend auf dem Steg oder spielen Fussball in der frisch gegründeten Skigyi-Liga mit dem klingenden Namen "Torpsvenskan"
Abgeleitet ist dieser Name von der höchsten Spielklasse Schwedens, der Allsvenskan. Dabei gibt es bei uns gerade zwei Mannschaften. Team Albin und Team Adrian. Es soll eine richtige Rivalität entfacht werden und wöchentlich wird zur Schlacht auf dem "Gödslan", dem hauseigenen Fussballplatz, gerufen.
In der Transferphase gelang es mir, einen Platz im Team Albin zu ergattern, doch leider mussten wir schon im ersten Spiel eine knappe Niederlage (1:2) einstecken. Wir kommen zurück!

Am nächsten Wochenende stehen die nächsten Wettkämpfe in der laufenden OL-Saison an. Vor zwei Wochen konnte ich mehr oder weniger erfolgreich mein Debüt an der Stigtomta-Staffel im zweiten Team des IFK Mora geben. Es war der erste Testwettkampf für die prestigeträchtige Tiomila im Mai. Mein grosses Ziel ist es, dass ich in der zweiten Mannschaft aufgestellt werde, was aber noch gar nicht sicher ist. Es macht wieder richtig viel Spass, durch die Wälder zu rennen und Posten zu finden!







Montag, 11. April 2016

Finalissima in Bruksvallarna

Samstagabend, 2. April.
In einer Küche im "Gula Huset", dem gelben und etwas heruntergekommenen Wohnhaus der ältesten Schülern, sitzen Oskar, Jonny und ich bei einem Bier.
Thema wie gewohnt Frauen, Langlaufen oder eben die bevorstehende Reise der Viertklässler nach Bruksvallarna.
Dieser Skiort, auch Bruks genannt, liegt im Fjäll von Härjedalen etwa 300km nördlich von Mora.
Am Wochenende findet dort der grosse Saisonabschluss der schwedischen Langläufer mit vier Rennen statt. Ein gewöhnlicher Sprint, ein 100m-Sprint, ein 31km-Lauf und ein Skicross. Da liegt also auch eine Prise Spass in der Luft. Da ich keine FIS-Lizenz habe, was bei Juniorwettkämpfen im Langlauf Pflicht ist, habe ich mir es nie überlegt, dort überhaupt teilzunehmen. Nun kommen aber Oskar und Jonny ins Spiel, die berichten, dass man eigentlich nicht nach Bruksvallarna fährt, um Wettkämpfe zu laufen, sonder um das Fjäll zu geniessen, Feste zu feiern und die Freunde anzufeuern.
Mir reichte dies aber noch nicht und ich meldete mich für die Volkslaufkategorie im 31km-Lauf an, um doch noch einen seriösen Grund für die Reise angeben zu können.

Das eigentlich geplante Trainings- und Wettkampfwochenende mit dem IFK Mora in Uppsala abgesagt und die Reise nach Norden gebucht, es kann am Mittwoch losgehen.

Doch zuvor mussten noch zwei Schultage bewältigt werden. Okay, bewältigen ist sicher das falsche Wort, trotzdem hatte ich nicht frei. Das Wetter war schon am Dienstagmorgen beim Langlauftraining nicht so prickelnd. In Mora, das nun definitiv aper ist, regnete es und in Grönklitt war es auch nicht besser. Trotzdem sind die Loipen, die in der Höhenlage immer noch gut fahrbar sind, gefroren und wir kamen zügig voran. Plus 1,6 Grad Celsius und Nieselregen, der Schwedische Frühling von seiner hässlichen Seite.
Doch es kam noch schlimmer und zwar am Mittwoch, den ich ebenfalls in Grönklitt verbrachte. Skitag mit der Schule. Aus dem Nieselregen wurde strömender regen und da ich meine Skihose sowie die wärmsten Handschuhe bereits an Ostern in die Schweiz zügelte, mussten Regenhosen und eine Regenjacke her. Nach zwei Stunden an einem kleinen Skilift wurde es auch mir zu widrig und wir verschoben die Aktion in die "Bergbeiz". Hügelbeiz im Fall von Grönklitt. Wenigstens konnte ich in den wenigen Abfahrten als Schweizer brillieren und kam als Hilfslehrer in der besten Leistungsgruppe zum Einsatz.
Beim Mittagessen kam unser Trainer David zu uns und meinte nur:" Wir "sch*****n auf das hier, wir fahren mit dem Minibus nach Hause". Er sagte das, was sich alle Schüler sehnlichst wünschten und der Bus rollte kurz darauf ins Tal. Der Einzige, der von dem keinen Wind bekommen hatte, war Gustav, der noch mit seiner Freundin die Hänge unsicher machte und nichts mehr anderes sah als seine Angebetete. Irgendwann am Nachmittag kam die Mitteilung:" Hey, wo seid ihr?" Wie er nach Hause kam, weiss ich nicht, aber er ist angekommen.

Heiss duschen und warm anziehen, am ins Auto und nach Norden. Man merkte spätestens nach der Durchfahrt in Sveg, dass wir nun wieder ins Gebiet der Samen vorgedrungen sind. Eine Rentierherde blockierte die Strasse, das Gebiet war kaum noch bewohnt und es wurde immer hügeliger. Als am Horizont dann die kahlen und schneeweissen Berge auftauchen, war es nicht mehr weit und wir erreichten unser Ziel. Ein Blockhaus, von welchem wir eine Hälfte gemietet haben, die für 12 Personen gedacht war. bewohnt haben wir sie mit 18 Personen.

Am Donnerstag stand zunächst eine leichte Langlauftour von unserer Hütte am Ramundberget zum Skistadion in Bruksvallarna, gut 10km und auch die ersten 10km des Volkslaufs vom Samstag. Eine sehr wertvolle Streckenbesichtigung unter anderem, da so die bissigen Steigungen schonmal ausgemacht werden konnten. Auf diese wollte ich mich nämlich fokussieren, da dies die Schwächen der Schweden sind. Mein Plan würde später aufgehen.
Für den Freitag nahmen wir uns wiederum nicht zuviel vor und schauten unseren Freunden beim 100m-Sprint zu. Ein sehr lustiges Wettkampfformat mit beeindruckenden Zeiten. Der aktuelle Weltrekordhalter, der den Wettkampf auch gewann, bestreitet diese 100m in jeweils gut 12 Sekunden. Ein Sprinter schafft die Strecke in 9.58, ein durchaus spannender Vergleich, da die Beschleunigung auf Skiern deutlich schwieriger ist.

Endlich kam der Samstag und mein grosser Auftritt. Ich bin die ganze Saison bekanntlich kein Langlaufrennen gelaufen und schob die Premiere also bis in den April hinein, dann auch gleich noch 31km und 568 Höhenmeter. Eine zu grosse Herausforderung? Nein, obwohl ich nach den ersten drei Kilometern, die ich im Spitzenfeld der Volksläuferklasse mitlief, einen Durchschnittspuls von 185 Schlägen/Minuten hatte. Ich bremste mich selbst aus, um auf der Skipiste, die bald kommen würde, nicht völlig eingehen würde. Die Spitze lief davon und auch meine Skier waren nicht so präpariert, wie dies die meisten Amateure gemacht haben. Karbon vor Kondition gilt ja bekanntlich, abgesehen von mir. In den kleinen Steigungen, die bis Ramundberget zurückgelegt wurden, konnte der kleine und leichte Lukas jeweils wieder an einer hand voll 50-jährigen Hünen vorbeiziehen konnte. Dann kam er endlich, der grosse "Mörderhügel". 350 Höhenmeter am Stück, verteilt auf vier Kilometer. Mein Ding, wie ich schon in diversen Intervalltrainings feststellen durfte.

Auf einer grossen Schlaufe auf dem kahlen Fjäll wurde ich dann endgültig vom nach mir gestarteten Dario Cologna überholt, dessen Tempo ich natürlich nicht halten konnte. Dafür versuchte ich, das absolute Traumwetter mehr zu geniessen. Weitsicht zu den Fjällen im Umkreis vom 100km, Windstille und Schnee en masse machten jegliche Strapazen dieses Laufs absolut nichtig. Leider habe ich noch keine Bilder vom Lauf gefunden, würden aber nachgeliefert, falls welche auftauchen.
Im Ziel dann glücklich mit einer Laufzeit von 1h 31min, leider kein Massenspurt gegen andere Volksläufer, denn den ganzen Schluss bestritt ich praktisch alleine: eine 5km lange Abfahrt zum Stadion zurück.
Im Ziel habe ich dann auch noch mein Wochenziel erreicht, und zwar das Selfie mit dem anderen, etwas bekannteren Schweizer. Dario Cologna. Ein bisschen überrascht war wohl auch er, dass da einfach so mal jemand Schweizerdeutsch konnte. Leider trafen wir ihn dann doch nicht am grossen Fest am Abend, wo wir noch anstossen wollten ;-)

So ging am Sonntagmorgen das grosse Aufräumen und Ausnüchtern der Fahrer los, was wir mit einem gemütlichen Grillen im Freien machten, das Wetter liess das natürlich wieder zu! Doch auch hier sprechen die folgenden Bilder für sich.

Diese spontane Reise war eine der besten Reisen dieses Jahres. So viel Spass, so viele gute Freunde, so schöne Landschaft, so lange Gespräche über belanglose Dinge, so wunderbares Wetter, unvergesslich. Dinge, die man in der Schweiz in diesem Stil einfach nicht hat, und die ich vermissen werde.

Wir schliessen den Blogeintrag mit vielen Fotos, hej då!

Eine tolle Truppe!

Die berühmte Juniorenlangläuferin Malin Börjesjö (Links) und Dario Cologna (Mitte)

Grillen am Sonntagmorgen

Oskar, wohl einer meiner besten Freunde in Mora

Am "Helvetesfallet", einem Wasserfall auf der Heimfahrt

Das Znachtessen kann man wieder auf dem Steg vor dem Haus machen

Nils und ich. Der grösste "Chiller" in ganz Dalarna?







Dienstag, 22. März 2016

Schwedischer Meister zum Abschluss

Wie viele Blogeinträge auf dieser Strecke, auf welcher ich mich im Kleinbus des IFK Mora OKs gerade befinde, schon geschrieben wurde, weiss ich nicht. Der Erste ist es auf alle Fälle nicht, denn es ist die Autobahn E4, die ultimative Autobahn von Süd nach Nord. Es ist die letzte Lappland-Reise der Saison, heuer an die verbleibenden Meisterschaften in Älvsbyn, ein Ort, welcher der Blogleser bereits kennt. Diese Autobahn hat es in sich. Während sie um Stockholm wie eine unserer Nationalstrassen ausgebaut ist, verläuft sie durch grössere Orte im Norden wie eine Hauptsrasse mitten durch die Stadt, Fussgängerstreifen und duzende Lichtsignale inbegriffen, sodass der Begriff Autobahn wieder verkommt und man die E4 dann doch wieder Europastrasse nennt.

So weit, so gut, es werden wieder 850km pro Strecke, zurückgelegt an einem Wochenende. Während wir auf dem Hinweg, auf dem ich mich zur Zeit befinde, in einer Jugendherberge in Sundsvall nächtigten, fahren wir den Heimweg durch. Zum Glück habe ich die Autoprüfung noch nicht, sonst müsste ich sicher auch noch eine Strecke durch die Nacht fahren. Wenigstens haben wir im Bus so viel Platz, dass wir die Frontreihe runterklappen konnten und die Beine nun ausgestreckt auf den Vordersitzen liegen.

Ja, und dann habe ich eben wieder einmal Gas gegeben. In einem extrem dicht gespurten Scooternetz, das aber nicht zwingend benutzt werden musste, da Firnschnee herrschte, leistete ich mir keinen Fehler. In einer extrem starken Form bezwang ich das Rennen über die Sprintdistanz am schnellsten und wurde so Schwedischer Juniorenmeister. Ein Ausländer, der gewinnt, schon wieder.
Das hat so richtig Spass gemacht und die turbulente Saison kann auf dem Höhepunkt abgeschlossen werden, egal was das Rennen ab Sonntag bringen mochte.
Als Preis wurde mir übrigens eine Lawinenschaufel am Bankett überreicht, eine Anspielung auf den verpassten Baggerpreis in Obertilliach?
Wir erreichten nach 9 Stunden direkter Heimfahrt Mora am Sonntagabend.
Somit war die Ski-OL-Saison 15/16 Geschichte. Eine Saison, auf die ich mit Stolz zurückblicke. Eventuell habe ich mal noch Zeit, mich einem Rückblick zu widmen, ansonsten müsst ihr euch selbst nochmals durchlesen. Jedoch gibt es noch Fotos aus Obertilliach, die ich euch vorbehalten habe und euch jetzt zeigen kann.

Währenddessen ist in Mora der Frühling eingekehrt. Der Schnee schmilzt sukzessive, die Temperaturen immer im positiven Bereich und die Laufrunden nicht mehr vereist. Ebenfalls beginnt das Tiefbauamt, die Tonnen an Kies, die uns vor glatten Gehsteigen bewahren hätten sollen, wieder einzukehren. Eine mühsame und sicher kostspielige Angelegenheit, aber man will ja um Himmelswillen Salz nur auf Strassen verwenden.

Diese warmen Temperaturen liessen dann auch das sogenannte „steka“ (=braten) zu, das so heiss geliebte Sonnenbaden. An der Hausmauer des Torpets war es schnell genug warm und mit Kaffe, Eis und Musik sassen wir die meisten Nachmittage an der Sonne, ich habe ja nicht so viel Schule, dass ich dies nicht hätte machen können.

Ein langlauftraining am Mittwoch absolvierten Emil, Martin und ich dann in Shorts und T-Shirt. Aussentemperatur 18 Grad, März. 47 Grad Differenz zu den Temperaturen 2 Monate zuvor.
Genug neidisch gemacht.

Für die Osterferien komme ich bereits übermorgen Donnerstag eine Woche lang in die Schweiz, ich freue mich! Die Bilder sind nicht schön geordnet, hat da beim hochladen nicht so geklappt wie gedacht.
Skepsis?

Lars und ich, über was die beiden wohl gerade wieder philosophieren?

Als das ganze Bankett für mich sang...

"Wer nöd gumpet isch kein Schwiizer"

Die strahlenden Sieger des IFK Mora OK



Die Wärme kehrt nach Mora zurück




Langdistanzüberlauf. 

Staffelteam

Der Start zum zweiten Schwedischen Meistertitel

Samstag, 12. März 2016

Volljährigkeit an der Junioren-WM

Nach einer gewohnt langen Reise landete ich am Donnerstagabend in der Schweiz. Das Ankommen wird je länger je mehr zum Kulturschock. Obwohl ich in diesem Land ja heimisch bin, gibt es Dinge, die mich hier einfach stören und in Schweden nie passieren würden. Als ich den Zug mit meinen Gepäckstücken betrete, die alleine gar nicht tragen konnte (ein Schaffner hilf mir beim Verlad), lag in einem Viererabteil eine Frau über alle Sitze. Da der Zug gut ausgelastet war, fragte ich höflich, ob hier noch ein Platz frei sei. Mindestens drei Stück sollten ja noch unbesetzt sein, so meine Annahme. Die Frau knurrte, packte ihr Ware und machte sich aus dem Staub. Beim Ausstieg im Bahnhof mit dem grossen Dach und dem Maestrani-Schriftzug wurde ich von zwei jungen Mädchen angepöbelt, ob das nicht etwas viel sein. Meine Reaktion fiel auf Schwedisch aus, geht einfach leichter mit solchen Individuen. Natürlich überwogen die schönen Momente bei der Ankunft klar. Ich bezog Zuhause das TV-Zimmer, da mein Zimmer von Mikaela, unserer Austauschschülerin aus Neuenburg und ihrem Parfüm bewohnt wird.

Nach einem Tag mit den gewohnten Verpflichtungen brachen wir endlich gegen Osten auf. In eine Woche, die später zur wahrscheinlich besten Woche meines Jahres wird. Im Kleinbus ging es mit Carmen, Andrin, Eliane, Lea, sowie Ursus und Nadeschkin ins obere Lesachtal ins pittoreske Bergdorf Obertilliach, einem Drehort des aktuellen Bondstreifens. Endlich traf ich meine Jungs wieder, die Ski-OLer der Schweiz.

Auch am nächsten Tag ging das muntere Wiedersehen weiter. Alle meine Freude aus ganz Europa traf ich auf den Spuren des Modelevents, der jeder Wettkampfwoche vorangeht. Während es den ganzen Tag weiterschneite, was noch zum Problem würde, ruhten wir uns nach akribischen Skitest im wunderbaren Hotel Oswalderhof mitten im Dorf aus. In diesem schmucken Hotel konnten wir uns wirklich wie zuhause fühlen. Die Grösse war so überschaubar, dass wir es gleich mit uns selbst füllten und die wenigen Angestellten schnell zu guten Freunden wurden. Allen voran die Hotelierin und Gastmutter Viktoria, an die an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön ausgerichtet sei.
Mein Zimmer teilte ich wie gewohnt mit Noel und Lars, die Penthouse-Suite zuoberst unter dem Dach, Blick in die wunderschönen Dolomiten, die sich im Lauf der Woche von ihrer besten Seite zeigten.

Die WM-Woche wurde mit dem Sprintrennen eröffnet. Mein Start war auch 12:37 festgelegt, sodass wir genügend Zeit im Hotel hatten, bis es in die Arena ging. Es schneite die ganze Nacht ununterbrochen weiter und es lagen rund 60cm neuer Nassschnee. Die Organisatoren hatten alle Hände voll zu tun, um irgendwie Spuren zu präparieren, was ihnen nicht in der gewünschten Zeit gelang. Es kam zu Startverschiebungen, so dass die Jugendkategorien in unserem Startfenster starten sollten. 4 Athleten pro Minute. Keine Chance. Das totale Chaos brach aus. Einige starteten 8 Minuten zu spät, andere bekamen ihre Karte zwei Minuten zu früh. Mehr als Recht, dass die Läufe annulliert wurden und am nächsten Tag nachgeholt wurden. Schliesslich erwartet ja jeder Athlet die gleichen Bedingungen.
So heiss es am nächsten Tag also gleich nochmals Sprint. Keine Wolke zur Zierde am Himmel, pures Winterwetter bei frühlingshaften Temperaturen, ein Traum. Mir gelang der Wettkampf eigentlich sehr gut, kein grösserer Bock. Nur war meine Physe noch nicht bereit und ich hatte noch Probleme mit der Höhenluft. So kassierte ich sehr viel Zeit in den Aufstiegen und klassierte mich auf einem passablem 21. Platz, bester Schweizer. Abschliessen und auf die Mitteldistanz hoffen. Dieses Rennen wurde am Folgetag im Massenstart ausgetragen. Ich ergatterte mir eine sensationelle Ausgangslage im Startfeld und konnte gerade am Anfang gut mit der Spitze mithalten. Dann ging der Saft aber wieder aus und die Fehler schlichen sich ein. Zudem wurde ich in einen Massensturz verwickelt, den ich aber ohne Materialschaden, dafür mit grossen Zeitverlust überstand. Es resultierte ein enttäuschender 25. Platz. Zeit für den Ruhetag und der vorangehenden ersten Party, die ich richtig genoss. Zuvor mussten aber noch Pflichten erledigt werden und ich begleitete meinen Freund Nicola an ein Gespräch mit Kalle, meinem Schwedischen Trainer. Nicola will ebenfalls einen Austausch am Skigymi absolvieren. Dieser junge Herr wurde diese Woche gleich 3x Europameister bei der Jugend. Dies wurde jeweils gross zelebriert, wodurch sich die Schweizer an den Rangverkündigungen den Ruf als lauteste Nation machten. Das Training als Capo im Korpeninnebandy zahlte sich aus und ich führte die Fans an allen Rangverkündigungen lautstark an. Es war ebenfalls einfach nur schön, nach so vielen Jahren zum ersten Mal die Schweizer Nationalhymne an einem Ski-OL-Grossevent zu hören. Obwohl eine sehr langsame Version gespielt wurde, sangen wir lauthals mit.

Vom absoluten Traumwetter am Vortag war am heutigen Ruhetag nicht mehr viel zu sehen. Es schneite wieder wie gewohnt, was uns auch den geplanten Biathlonkurs verwehrte. So testeten wir vor allem die Skier nochmals und liefen einige Runden. Am Nachmittag schlossen wir Herren uns zu einem kleinen Teamausflug zusammen und genossen herrliche Eisbecher in einem Cafe. Allen voran das Teamküken Gian-Andri, der sich selbstsicher eine „heisse Liebe“ bestellte ;-)
Wie schon am Abend vor der Mitteldistanz gastierten auch heute wieder einige Norwegerinnen in unserem Hotel für ein geselliges Kartenspiel. Wie toll doch, dass Uno weltweit die gleichen Regeln hat. Rolf servierte sogar eine Vanillecreme bis ins Zimmer, damit wir nicht von unseren Dates davonspringen mussten.

Es stand die Langdistanz an. Eine sehr lange Langdistanz. Am Vorabend wäre ich am liebsten vom Teammeeting davongelaufen, als die Bahndaten kommuniziert wurden. 22,3km und 560 Höhenmeter. Ein würdiges Kräftemessen für die über 50 Junioren im Teilnehmerfeld. Das Wetter zeigte sich, wie für einen Wettkampftag üblich, von seiner besten Seite. Plusgrade, Sonnenschein und genug Zeit vor dem Start, sich ein wenig zu sonnen. Dann galt es aber Ernst. Mit dem Wissen, ein sicheres Verpflegungssystem ausgeheckt zu haben, konnte es losgehen. Es lief mir wirklich gut. Ich machte keine Fehler. Würgte mich jede Serpentine hoch. Ein kleiner Fehler schlich sich nach über einer Stunde trotzdem ein. Im Stadiondurchlauf wurde ich vom Speaker Goggi schon sehnlichst erwartet, was immer ein gutes Zeichen ist. Rolf sagte nur, während ich meine hoch angereicherte Koffeindosis mit Wasser zu mir nahm, dass der acht Minuten vor mir gestartete Lars nur noch 30 Sekunden vor mir liegt. Schnell ein- und überholt lief ich die Schlussschlaufe ein einem Delirium. Nach der Ziellinie lag ich fast reglos auf dem harten Schnee und dem Kartengestell, eine Stunde und 35 Minuten gekämpft, die zweitbeste Zwischenzeit bekommen. Vielleicht wegen der Freude, der Erschöpfung oder Beidem zusammen, brach ich in Freudentränen aus, die ich endlich einmal an einem Ski-OL-Wettkampf mit meinen Eltern teilen durfte. Nach dem Auslaufen zusammen mit Anne, einer neu gewonnenen Norwegischen Kollegin, stand dann auch bald das endgültige Resultat fest, ein fünfzehnter Rang. Zeitgleich mit Noel. Passabel.

Nun kam ein Tag, auf den ich schon lange gewartet habe. Ein Tag, der wie eine Sonnenfinsternis ist. Ski-OL-WM, das Abschlussbankett und der Geburtstag am selben Tag. Es war soweit und der 5. März 2016 war da! Schon beim Frühstück wurde ich mit Gesang, einem riesigen Zopf in der Form einer Achtzehn, Schokolade und vielen Glückwünschen überhäuft. Der Tag begann also perfekt und mit Sandro beging ich meine erste Amtshandlung. Doch leider wollte die Kassiererin den Ausweis beim ersten Kauf von Spirituosen nicht sehen, hat sich also nicht gelohnt! Das Staffelrennen stand auf dem Programm und ich durfte die Schlussstrecke als Zehnter angehen. Ich konnte mich auf einen fünften Platz vorarbeiten, verpasste aber in einer Gabelung den richtigen Posten. Die Enttäuschung war riesig. Aber man soll an seinem Geburtstag nicht traurig sein und das grosse Packen begann am Wachscontainer und ging im Hotelzimmer weiter. Traditionell gab es am letzten Abend im Oswalderhof Schnitzel mit Pommes, wie immer delikat zubereitet von Gastmutter Viktoria. Noch einmal so richtig Gas geben an der Rangverkündigung, mit allen Teamkollegen ergiebig anstossen und das Geburtstagsbankett geniessen. Hier endet aber die Berichterstattung der folgenden Stunden.


Der nächste wunderschöne Morgen brach an und zusammen mit meinen Eltern reisten wir wieder in die Schweiz. Eine Reise geht zu Ende, wie ich sie vorher noch nie erlebt hatte. Es gibt an dieser Stelle so viele Leute, denen zu Danken wäre, was ich aber bei den meisten persönlich machen konnte. Diese eine Woche im Jahr bedeutet mir einfach so unendlich viel und ich freue mich schon auf die Junioren-WM 2017 im Finnischen Imatra.

Das ultimative Teamfoto, alle mit dem Gesicht des Medalliengewinner Christian Spoerry
Mittlerweilen habe ich auch wieder eine verkürzte Schulwoche in Mora hinter mir. Am Dienstagabend erreichte ich das Dorf und die Abbauarbeiten des Wasalaufs waren schon im vollem Gange. Dieser ging am vorangegangenen Wochenende über die Bühne. Er gilt als der grösste Wasalauf aller Zeiten. 68'000 Teilnehmer verirrten sich innerhalb 10 Tage nach Dalarna. Die grosse Ankündigung dann diese Woche: nächstes Jahr wird es einen "Nacht-Wasalauf" geben. 90km mit Start um 20:00, ein echtes Abenteuer und eine persönliche Herausforderung?

Balkonselfie der U20
Im langen Langdistanzrennen
Emotional und erschöpft in Ziel der Langdistanz


Gutaussehende Herren vor dem Bankett


Mit dem Händen die Richtung vorgeben ;-)
SwissTeam

Wieder in Mora auf einem spontanen Marathontürli (42,4km)